Wien/Spielfeld/Sentilj/Brüssel/Wieselburg – Das Hickhack in der Koalition in der Frage nach einem Grenzzaun geht in die nächste Runde. Nachdem Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) Donnerstagnachmittag ein Gegenmodell zu dem von der ÖVP gewünschten Grenzzaun präsentiert hatte, schoss die Volkspartei am Freitag zurück.

"Es ist völlig unverständlich, dass Verteidigungsminister Klug eine gemeinsame Regierungslinie torpediert, nachdem erst letzte Woche die Prüfung von baulichen Maßnahmen beschlossen wurde", sagte ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald.

Klug verunsichere die Menschen

Damit trage der Minister nicht zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl bei und schon gar nicht zu einer besseren Bewältigung der Flüchtlingssituation. Im Gegenteil erschwere Klug dadurch die Situationsbewältigung und verunsichere damit die Menschen.

"Die Bevölkerung erwartet eine gemeinsame Linie und eine geordnete Vorgehensweise der Bundesregierung. Bundeskanzler Werner Faymann ist aufgefordert, seinen Minister zur Kooperation und Ordnung zu rufen", so McDonald. "Die SPÖ muss erkennen, dass wir diese Situation nur gemeinsam lösen können. Alles andere ist verantwortungslos und wird nicht funktionieren."

ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon sagte im Ö1-"Morgenjournal", es gebe kein gutes Bild ab, wenn das Verteidigungsministerium ein Wetteifern beginne – es solle die Nerven bewahren und den Plan der Polizei für die Grenzsperre abwarten. Die Sicherheitsbehörden sollten zusammenarbeiten. Das Bundesheer assistiere der Polizei und solle sich diese Rolle zu Gemüte führen, so Amon.

Mikl-Leitner und Avramopoulos

Unterdessen präsentierte sich die Lage vor dem Besuch von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos in Spielfeld ruhig. In der Sammelstelle am Grenzübergang hielten sich rund 450 Menschen auf, so Polizei-Oberstleutnant Rene Kornberger. Aus Bad Radkersburg konnten am Donnerstag alle Flüchtlinge weitertransportiert werden.

Mikl-Leitner und Avramopoulos werden die Lage am Grenzübergang in Spielfeld in Augenschein nehmen und danach vor die Presse treten. Geplant ist eine kurze Pressekonferenz unter dem Flugdach der alten Zollstation ab 15 Uhr.

Konzept erst nächste Woche

Das angekündigte Konzept über bauliche Maßnahmen wird Mikl-Leitner bei dieser Gelegenheit aber noch nicht präsentieren. "Wir werden es nächste Woche dem Koalitionspartner präsentieren und wir werden über Details informieren", sagte sie am Rande einer Pressekonferenz am Freitag in Eisenstadt.

Zur Diskussion, ob diese Maßnahmen auch einen Zaun beinhalten werden, meinte die Innenministerin: "Uns geht es hier nicht um ein Konzept der schönen Begrifflichkeiten, uns geht's um ein Konzept der besseren Sicherungsmaßnahme." Auf die Frage, welche Alternativen es zu einem Zaun geben würde, erklärte Sie: "Das können Gitter sein, das können Sperrcontainer sein, das können Zäune sein, was auch immer. Warten Sie bitte das Konzept ab."

Foto: Christian Fischer

Mikl-Leitner kündigte an, die Bundesregierung darüber zu informieren, "wie mein konkreter Vorschlag ausschaut, damit sich sowohl die Bürgerinnen und Bürger sicher fühlen können als auch, dass die Flüchtlinge kontrolliert hier in die Republik kommen können". Sie glaube, die Bundesregierung sei hier gemeinsam unterwegs, um auch weiterhin Sicherheit zu garantieren.

2.650 Flüchtlinge warten

Die Transporttätigkeit mit Bussen sei erst gegen 1 Uhr in der Früh eingestellt worden, gab die Polizei an, weshalb die Spielfelder Sammelstelle relativ leer sei. Laut slowenischer Polizei warteten allerdings rund 2.650 Flüchtlinge im Camp auf der slowenischen Seite der Grenze in Sentilj (St. Egidi). Deshalb müsse mit einem weiteren Zustrom gerechnet werden, ebenso wie in Bad Radkersburg. Zum Weitertransport in Transitzentren in Graz und Feldkirchen bei Graz beziehungsweise andere Bundesländer stünden wieder Heeres- und zivile Busse sowie drei Sonderzüge der ÖBB parat.

Bewährt habe sich das neue Zelt, das am Donnerstag aufgestellt worden war, wie die Einsatzkräfte mitteilten. Dieses beheizte Großraumzelt wurde über dem Wartebereich errichtet, um die Menschen, die bisher im Freien auf den Einstieg in die Busse warten mussten, vor Witterungseinflüssen zu schützen. Dies wird speziell bei winterlichen Temperaturen beziehungsweise Regen oder Schneefall erheblich zur Entspannung der Situation unter Flüchtlingen und Einsatzkräften beitragen.

Erkältung und Erschöpfung

Das Rote Kreuz versorgte rund 100 Menschen seit den Abendstunden des Donnerstag, vor allem wegen Erkältungskrankheiten, Erschöpfung, kleineren Schnitten, stumpfen Verletzungen und Schmerzen im Bewegungsapparat. Drei Personen mussten für nähere Untersuchungen vorübergehend in ein Spital gebracht werden.

Im Gegensatz zu dem Sammelstellen in Spielfeld und Bad Radkersburg waren die Transiteinrichtung am frühen Vormittag im ehemaligen Grazer Euroshopping-Center mit 2.003 Flüchtlingen (Kapazität: 2.000) und der Bellaflora-Halle in Feldkirchen mit 365 Menschen (Kapazität: 400) ganz beziehungsweise fast ausgeschöpft.

Zwischenfall in Wieselburg

Im Transitquartier für Flüchtlinge in der Messehalle Wieselburg (Bezirk Scheibbs) ist es am Freitag in den frühen Morgenstunden zu einem Zwischenfall gekommen. Ein Mann – mutmaßlich alkoholisiert – war eingedrungen und hatte einen Mitarbeiter des Roten Kreuzes attackiert, teilte die Landespolizeidirektion Niederösterreich auf Anfrage mit. Der Beschuldigte wurde festgenommen.

Der Mann habe versucht, mit einem Pkw in das Quartier einzufahren und dabei eine Tretgitterabsperrung gerammt, sagte Polizeisprecher Markus Haindl. Der Beschuldigte habe sich in der Folge zu Fuß – mit rot-weiß-roter Fahne auf den Schultern – Zutritt verschafft. Dort habe er dann einen Mitarbeiter des Roten Kreuzes "bedroht, attackiert und leicht verletzt".

Auf der Flucht mit seinem Auto beschädigte der Österreicher im Zug einer versuchten Anhaltung laut Haindl auch einen Streifenwagen. Letztlich wurde der Mann nahe Wieselburg festgenommen. Die Hintergründe für seine Tat waren am Freitag noch Gegenstand von Ermittlungen. (APA, red, 6.11.2015)